Rechtliches

Von Maren Mylius

Der Leistungsumfang der medizinischen Versorgung für MigrantInnen ohne legalen Aufenthaltsstatus ist im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) festgelegt, der Zugang zur Gesundheitsversorgung wird durch das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) bestimmt. Der Anspruch auf eine medizinische Versorgung umfasst akute Erkrankungen sowie Schmerzzustände, Schwangerschaft, Geburt und weitere Vorsorgemaßnahmen wie Schutzimpfungen (§ 4 und § 6 AsylbLG). Ob eine Kostenübernahme von Behandlungen chronischer Erkrankungen nach dem AsylbLG vorgesehen ist, ist umstritten. § 6 AsylbLG regelt sonstige Leistungen, die zu gewähren sind, wenn sie zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich ist. Es ist allerdings eine Einzelfallentscheidung.

Darüber hinaus verfügen die zuständigen Entscheidungsträger (meist das Sozialamt) oft nicht über ausreichende Kenntnisse zur Rechtslage. Es ist zu beachten, dass die Ablehnung der Ausgabe eines Krankenscheins durch medizinisch nicht qualifiziertes Personal rechtswidrig ist. Als problematisch erwies sich in der Vergangenheit auch die Beurteilung durch Amtsärzte, da aufgrund möglicher Interessenkollisionen wie dem Wunsch nach restriktiver Auslegung und Budgetierung medizinische Untersuchungen interessengeleitet erfolgten.

Doch auch diese eingeschränkten Möglichkeiten des AsylbLG können faktisch nicht von MigrantInnen ohne Aufenthaltserlaubnis genutzt werden. Die laut Aufenthaltsgesetz für öffentliche Stellen bestehende Übermittlungspflicht blockiert die Wahrnehmung auch der reduzierten Leistungen, denn in diesem Fall muss mit der Weitergabe der Daten an die zuständige Ausländerbehörde und in der Folge mit einer Abschiebung (§ 87 AufenthG) gerechnet werden. Praktisch bedeutet dies im Krankheitsfall, dass bei elektiven Untersuchungen im Falle der Unmöglichkeit der Selbstzahlung ein Krankenschein beim zuständigen (örtlichen) Sozialamt beantragt werden muss. Die zuständigen BearbeiterInnen erhalten im Zuge dessen Kenntnis von der fehlenden behördlichen Meldung, also des fehlenden Aufenthaltsstatus. Durch die bestehende Übermittlungspflicht müssen die Daten umgehend ohne Aufforderung an die Ausländerbehörde (oder an eine polizeiliche Stelle) weitergegeben werden.

Mit der vom Bundesrat im September 2009 erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (AVV) zum Aufenthaltsgesetz stand nun zumindest bei Notfallbehandlungen die gesetzliche Möglichkeit offen, dass die entstehenden Kosten vom Sozialamt getragen, ohne dass die Daten weitergegeben und die Betroffenen von der Abschiebung bedroht werden (Gültigkeit des „verlängerten Geheimnisschutzes“). Doch die Sozialämter verlangten daraufhin umfangreiche Nachweise der Bedürftigkeit vom Krankenhaus wie beispielsweise eine persönliche Erklärung über den Einreisegrund, die Darlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie die Angabe zu Verwandten in Deutschland und die Namen der Vermieter. Waren diese umfangreichen Erklärungen erfolgt, wurden dennoch mit dem Verweis auf Unglaubwürdigkeit und „mangelnde Mitwirkung“ der Betroffenen die Anträge zumeist abgelehnt.

Mit den Änderungen des Asylbewerberleistungsgesetzes, die zum 01.03.2015 in Kraft getreten sind, wurde dennoch – als Antwort auf ein Urteil des Bundessozialgerichtshofs – die §§ 6a, 6b AsylbLG in das Gesetz aufgenommen: „Hat jemand in einem Eilfall einem anderen Leistungen erbracht, (…) sind ihm die Aufwendungen in gebotenem Umfang zu erstatten, wenn er sie nicht auf Grund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen hat.“ Ob diese erneute rechtliche Klarstellung zu einer tatsächlichen Kostenübernahme durch das Sozialamt führen wird, ist allerdings fraglich, da es vermutlich keine Auswirkung auf die Bedürftigkeitsprüfung durch die Behörde haben wird. Ein weiterer wesentlicher Aspekt für Menschen ohne Papiere ist der Umgang mit fehlenden Ausweispapieren in der Aufnahmesituation in einem Krankenhaus. Dabei steht das Geheimhaltungsinteresse der Patientin/ des Patienten dem Interesse nach Deckung der Behandlungskosten des Krankenhauses entgegen, das zur Feststellung der Identität gewillt sein kann, die Polizei hinzuzurufen. Die ärztliche Schweigepflicht ist allerdings berufs- und strafrechtlich besonders geschützt und darf nicht ohne weiteres gebrochen werden.

Eine Sonderstellung besteht hinsichtlich eingereister Menschen aus den osteuropäischen EU-Beitrittsstaaten, für die zum Teil bis 2014 eine Übergangsregelung galt, eine Arbeitserlaubnis für Deutschland zu erhalten. Hinsichtlich der medizinischen Versorgung besteht zwar eine wechselseitige Anerkennung von Versicherungsverhältnissen in der EU, doch durch fehlende Nachweise oder bei Aufenthalt allein zur Arbeitssuche kann es sehr schwierig werden, dass die Kosten einer medizinischen Behandlungen durch eine gesetzliche Krankenversicherung getragen wird. Die Behandlung muss dann privat bezahlt werden. Das bedeutet, dass viele Menschen, die sich zwar aufenthaltsrechtlich legal in Deutschland aufhalten, aufgrund z.B. eines fehlenden Arbeitsverhältnisses über keinen Versicherungsschutz verfügen. Im Krankheitsfall kann dann aufgrund der mitunter enormen Kosten die medizinische Versorgung nicht wahrgenommen werden.

Bei spezifischen Infektionskrankheiten wie sexuell übertragbaren Erkrankungen und Tuberkulose bieten die Gesundheitsämter zumeist anonyme und kostenlose Tests und Beratung an. Im Einzelfall kann eine ambulante Behandlung durch eine Ärztin/einen Arzt des Gesundheitsamtes durchgeführt werden. Die Kosten werden bei offensichtlicher Bedürftigkeit aus öffentlichen Mitteln getragen.

Ausführlicher zur aktuellen Gesetzgebung:

  • Classen, G. (2010): Krankenhilfe nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, aktualisierte Version, Stand Mai 2010, Flüchtlingsrat Berlin: http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/arbeitshilfen/krankenhilfe_asylblg.doc (Stand: 15.07.2010).
  • Gerdsmeier, K. (2010): Gesundheitsversorgung statusloser Ausländer, in Barwig, K./Beichel-Benedetti, S./Brinkmann, G. (Hrsg.) (2010), Hohenheimer Tage zum Ausländerrecht 2010, Baden-Baden, S. 163-186.